Physiknobelpreis 1967: Hans Albrecht Bethe

Physiknobelpreis 1967: Hans Albrecht Bethe
Physiknobelpreis 1967: Hans Albrecht Bethe
 
Der deutsch-amerikanische Forscher wurde für seine Beiträge zur Theorie der Kernreaktionen, insbesondere seine Entdeckungen bezüglich der Energieerzeugung in Sternen, ausgezeichnet.
 
 
Hans Albrecht Bethe, * Straßburg 2. 7. 1907; 1933 Emigration, 1935-75 Professor für Physik an der Cornell University (New York), 1943-45 Leiter der theoretischen Abteilung des amerikanischen Atombombenprogramms; bedeutende Arbeiten zur Festkörperphysik und Kernphysik, erklärte die Energieerzeugungsprozesse in Sternen.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Als im Jahr 1938 bekannt wurde, dass Hans Bethe den Energieerzeugungsprozess in der Sonne entschlüsselt hatte, titelte eine amerikanische Tageszeitung: »Bethe heizt die Sonne mit Kohle.« Im so genannten Kohlenstoffzyklus beschrieb er die Fusion von Wasserstoff zu Helium unter der katalytischen Wirkung von Kohlenstoff. Schon ein Jahr zuvor hatte der deutsche Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker die so genannte Proton-Proton-Reaktion als eine mögliche Energiequelle der Sterne vorgeschlagen. Hierbei verschmelzen zwei Wasserstoffkerne, also zwei Protonen, zu einem schweren Wasserstoffkern, der die gleiche Ladung wie ein normaler Wasserstoffkern hat, aber doppelt so schwer ist. Diese Reaktion steht am Beginn der Entstehung der chemischen Elemente. Zusammen mit Charles Critchfield berechnete Bethe 1938 erstmals die Wahrscheinlichkeit und die Reaktionsrate dieses Prozesses.
 
Am 7. September desselben Jahres reichte Bethe seine Arbeit über den Kohlenstoffzyklus ein. Der Zyklus beginnt mit dem Zusammenstoß eines Wasserstoffkerns mit einem Kohlenstoffkern vom Atomgewicht 12. Zusammen bilden sie einen instabilen Stickstoffkern (Atomgewicht 13). Dieser wandelt sich unter Aussendung eines positiven Elektrons und eines Neutrinos in einen Kohlenstoffkern vom Atomgewicht 13 um. Trifft dieses Kohlenstoffisotop mit einem weiteren Wasserstoffkern zusammen, so bildet sich ein Stickstoffkern (Atomgewicht 14). Verschmilzt dieser Kern mit noch einem Wasserstoffkern, so entsteht ein instabiler Sauerstoffkern (Atomgewicht 15), der sich wiederum unter Aussendung eines positiven Elektrons und eines Neutrinos in ein Stickstoffisotop vom Atomgewicht 15 umwandelt. Stößt schließlich ein vierter Wasserstoffkern hinzu, so wird ein Heliumkern (Atomgewicht 4) abgestoßen und der Kern verwandelt sich wieder in den ursprünglichen Kohlenstoffkern mit dem Atomgewicht 12 zurück. Aus vier Wasserstoffkernen hat sich also ein Heliumkern gebildet, wobei der Kohlenstoff nur eine vermittelnde Rolle spielt. Voraussetzung für diese Reaktionskette ist allerdings, dass es im Stern neben Wasserstoff auch andere Elemente wie beispielsweise Kohlenstoff gibt.
 
Die Masse der vier Wasserstoffkerne zusammen ist jedoch etwas größer als die Masse des Heliumkerns. Dieser Massendefekt wird gemäß der berühmten Einstein'schen Energie-Masse-Äquivalenz in Form von Energie frei.
 
Die Geschwindigkeit, mit der der Wasserstoff zu Helium verschmilzt, und somit auch die Menge der abgestrahlten Energie hängen von der im Stern vorhandenen Kohlenstoffmenge ab. Den Kohlenstoffgehalt der Sonne bestimmte man aus dem Sonnenspektrum mit ungefähr einem Prozent. Unter Zugrundelegung dieses Wertes konnte Bethe zeigen, dass die beim Kohlenstoffzyklus in der Sonne theoretisch frei werdende Energie der tatsächlich beobachteten Strahlungsemission der Sonne entspricht. Er wies nach, dass der Kohlenstoffzyklus die wichtigste Energiequelle in Hauptreihensternen wie der Sonne ist und dass er die wichtige Masse-Leuchtkraft-Relation für diese häufigste Art von Sternen richtig wiedergibt.
 
Unabhängig von Bethe hatte Carl Friedrich von Weizsäcker am 11. Juli 1938 ein Manuskript mit der gleichen Entdeckung an die »Zeitschrift für Physik« gesandt. Weizsäcker hatte jedoch weder die Energieerzeugungsrate noch die Temperaturabhängigkeit der Reaktionskette berechnet. Der Kohlenstoffzyklus, später auch Bethe-Weizsäcker-Zyklus genannt, und die Proton-Proton-Reaktion sind die vorherrschenden Prozesse in Hauptreihensternen wie der Sonne.
 
 Die »Bethe-Bibel« bringt Anerkennung
 
Als Sohn deutscher Eltern in Straßburg geboren wuchs Bethe in Frankfurt am Main auf, wo er 1924 mit dem Physikstudium begann. Nach seiner Promotion im Jahr 1928 lehrte er an den Universitäten in München, Frankfurt, Stuttgart und Tübingen. Als Rockefeller-Stipendiat ging er 1930 für ein Jahr nach Cambridge und Rom. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 musste Bethe Deutschland verlassen. Er ging zunächst nach England und emigrierte dann 1935 in die USA, wo er eine Professur an der Cornell University im Bundesstaat New York erhielt. Mit drei ausführlichen Übersichtsartikeln über den Stand der Forschung in der Kernphysik — in Fachkreisen »Bethe-Bibel« genannt — verschaffte er sich den Ruf einer Autorität auf diesem Gebiet.
 
Nach dem Kriegseintritt der USA arbeitete Bethe zunächst in der Radarforschung. Zudem beteiligte er sich, wie viele andere seiner aus Deutschland vertriebenen Kollegen, am amerikanischen Atombombenprojekt und wurde Leiter der theoretischen Abteilung in Los Alamos. Durch seine Ankunft in den USA 1935 hatte Bethe Cornell zu einem Zentrum der physikalischen Forschung in der Neuen Welt gemacht, das viele junge Talente anzog. Eines von ihnen war Richard Feynman, der schon in Los Alamos unter Bethe gearbeitet hatte. »Schnellboot« und »Schlachtschiff« hatte man die beiden ungleichen Physiker dort genannt. Feynmann erschien wie das quirlige Genie, Bethe wie der pedantische deutsche Professor, »doch hinter seiner langsamen Rede, seinem liebenswürdigen Lächeln und seinem schallenden Gelächter verbarg sich ein Geist von fanatischer Geschwindigkeit und Kraft«, erinnert sich der Physiker Otto Robert Frisch. Bethe war Mitbegründer des 1946 ins Leben gerufenen »Notkomitees der Atomwissenschaftler«, dessen Vorsitzender Albert Einstein war, und machte es sich fortan zur Aufgabe, über die Gefahren der Nuklearrüstung aufzuklären. Er setzte sich für ein Teststoppabkommen ein und engagierte sich für atomare Rüstungskontrolle.
 
Bethe ist einer der letzten großen universalen theoretischen Physiker, die noch das gesamte Fachgebiet überblicken und wichtige Beiträge zu den verschiedensten Teilgebieten der Physik geleistet haben. In seiner Doktorarbeit 1928 entwickelte er eine Theorie der Beugung von Elektronen an Kristallen. Seine Untersuchungen über den Energieverlust von geladenen Teilchen beim Durchgang durch Materie (Bethe-Bloch-Formel) erlaubten erstmals, die Energie von Teilchen anhand ihrer durchlaufenen Wegstrecke abzuschätzen. Seine Beschäftigung mit der Wechselwirkung von Strahlung und Materie führte zur so genannten Bethe-Heitler-Formel für die Paarerzeugung von Elektronen durch Strahlung — eine Arbeit, die auch heute noch in der Elementarteilchenphysik von Bedeutung ist. Seine Berechnungen zur Lambshift waren 1947 ein entscheidender Eckstein bei der Begründung der modernen Quantenelektrodynamik. Seine Forschungen auf dem Gebiet der Quantenfeldtheorie fanden weite Verbreitung in den Arbeiten über die Theorie der Elementarteilchen (Bethe-Salpeter-Gleichung). Er beschäftigte sich auch mit der Theorie von Supernovae und fand in den 1980er-Jahren heraus, warum bei den Kernfusionsprozessen in der Sonne weniger nachweisbare Neutrinos erzeugt werden, als nach der Theorie vorhanden sein müssten.
 
Bethe ist seit 1939 mit der Tochter seines Stuttgarter Physikprofessors Peter Paul Ewald verheiratet. Obwohl seit 1975 emeritiert, ist er auch heute noch fast täglich in seinem Büro an der Cornell Universität anzutreffen.
 
M. Schaaf

Universal-Lexikon. 2012.

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